Männer und Frauen sind anders

Nun versteht ja ein Mann nur wenig von Frauen. Habt ihr schon einmal einen Mann gesehen, der wirklich etwas von Frauen versteht? Habt ihr schon einmal eine Frau gefunden, die sagt: »Mein Mann versteht mich«? Und umgekehrt natürlich auch. Frauen verstehen nicht viel von Männern. Sonst würden sie nicht dauernd versuchen, die Männer zu verändern.

Also, wenn der Mann und die Frau einander begegnen, begegnen sie etwas Fremdem, etwas, was sie selbst nicht haben, etwas, was sie auch nicht verstehen, was sie aber brauchen. Der Mann braucht die Frau. Wozu ist er sonst ein Mann? Ohne Frau ist er doch kein Mann. Umgekehrt braucht die Frau den Mann. Ohne Mann ist sie ja keine Frau. Die Frau wird eine Frau erst durch einen Mann. Oder? Alles andere ist vorläufig. Jetzt begegnen sich also zwei, die verschieden sind. Sie ergänzen sich gegenseitig, ohne sich zu verstehen, ohne sich im Tiefsten zu verstehen. Dadurch bleibt in einer Paarbeziehung die Spannung ein ganzes Leben lang erhalten.

Immer wieder wundert sich der Mann über seine Frau, und die Frau wundert sich über ihren Mann. Das macht ihre Beziehung lebendig. In dem Augenblick, in dem ein Mann der Frau begegnet, anerkennt er, dass er unvollkommen ist. Er muss etwas von seiner Überzeugung, dass er als Mann allein ein voller Mensch ist, aufgeben. Und umgekehrt auch die Frau. In dem sie einem Mann begegnet, merkt sie: Frau zu sein allein ist nicht genug. Es braucht noch etwas anderes.

Sie muss die Überzeugung aufgeben, dass sie allein die richtige Verkörperung des Menschlichen ist. Denn auf einmal steht ihr ein ganz anderer gegenüber, der auch richtig ist. Beide sind richtig, aber anders. Indem sie das anerkennen, geben sie eine frühere Überzeugung auf und werden demütig. Das heißt, sie anerkennen, dass sie bedürftig sind. Wenn beide das dem anderen gegenüber anerkennen, lassen sie sich von ihm bereichern. Und daran wachsen sie. Wachstum heißt: Ich nehme etwas, was mir bisher fremd war und das mich herausfordert, meine Überlegenheit aufzugeben, in mich hinein. Beide tun das gegenseitig, der Mann und die Frau. Daran wachsen sie. Das ist Wachstum.

Auch die Familien sind anders. Es kommt noch hinzu, dass der Mann aus einer anderen Familie kommt als die Frau und dass auch die Frau aus einer anderen Familie kommt als der Mann. Beide Familien sind verschieden. Oft schaut der Mann auf die Familie der Frau herab, und die Frau schaut auf die Familie des Mannes herab. Beide sagen vielleicht: „Meine Familie ist besser!“ Das gehört dazu, denn dadurch, dass wir an unsere Familie gebunden sind, wird für uns diese Familie die Beste.

Das muss sie auch sein. Sonst könnten wir nicht überleben. Aber diese Familien sind voneinander verschieden. So wie der Mann richtig ist, obwohl er keine Frau ist, und wie die Frau richtig ist, obwohl sie kein Mann ist, so ist die Familie des Mannes richtig und ist die Familie der Frau richtig, obwohl sie voneinander verschieden sind. Dennoch muss jeder die Familie des anderen als gleichwertig an- erkennen. Dadurch gibt er etwas auf.

So wie der Mann zuerst etwas von seiner Überzeugung aufgibt, dass der Mann allein der richtige Mensch ist, gibt er auch auf, dass seine Familie allein die richtige ist. Und umgekehrt. Beide nehmen etwas anderes in sich hinein und wachsen daran. Wie wichtig das ist, wird offenbar, wenn das Paar Kinder hat und sie entscheiden müssen wie die Kinder erzogen werden sollen. Dann gibt es manchmal einen Wettstreit zwischen den Familienwerten des einen und den Familienwerten des Anderen. Auch hier muss jeder etwas aufgeben. Auf diese Weise finden sie auf einer höheren Ebene etwas Gemeinsames, das größer ist als das, was Sie vorher als allein richtig anerkannt haben. Auch das ist Wachstum.